Was lehrt uns die Neurowissenschaft über den internen Klimawandel in Unternehmen/Organisationen?

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    Was lehrt uns die Neurowissenschaft über den internen Klimawandel in Unternehmen/Organisationen?

    Nachhaltigkeit im Unternehmen

    Bedeutung von Nachhaltigkeit in Unternehmen

    Die ganze Welt spricht vom Klimawandel und Nachhaltigkeit. Und was bedeutet nachhaltiges Wirtschaften in diesem Zusammenhang? Wie wird ein Unternehmen durch eine nachhaltige Unternehmensführung dauerhaft erfolgreich? Wie werden  Umweltgesichtspunkte mit sozialen und wirtschaftlichen Gesichtspunkten gleichberechtigt berücksichtigt? Dazu müssen ökonomische, ökologische sowie soziale Standards in allen Unternehmensbereichen eingeführt, erklärt, vorgelebt werden, denn als  integraler Bestandteil unternehmerischen Wirtschaftens ist Nachhaltigkeit der Schlüssel zu langfristigem Erfolg.

    Die moderne Neurowissenschaft / Gehirnforschung hat in den letzten 10 bis 15 Jahren interessante Ergebnisse in Bezug auf die Verhaltensänderung von Menschen sowie das Führungsverhalten geliefert. Dieser Beitrag zeigt, wie man mit diesen Erkenntnissen Nachhaltigkeit in die Unternehmenskultur implementieren kann. Er macht auf wichtige Voraussetzungen aufmerksam, um  Nachhaltiges Wirtschaften zu einer gelebten Kultur (interner Klimawandel) zu machen. Die Führungsebenen  müssen die Einzigartigkeit jedes Mitarbeiters und die Führung  als Vorbildfunktion betrachten. Denn dies ist bislang häufig nicht die gewünschte Situation in den Unternehmen. Nachhaltiges Agieren auf allen Ebenen führt auch zu nachhaltigem unternehmerischem Erfolg. Die Organisation muss aktiv eingebunden werden. Nur eine gelebte Nachhaltigkeitskultur wird am Markt positiv wahrgenommen und schafft mittel- und langfristig Wettbewerbsvorteile für Unternehmen. Dies ist in Zeiten des demographischen Wandels und der rasanten Geschwindigkeit der Globalisierung mitentscheidend.

    Kulturwandel im Unternehmen

    Immer mehr  Unternehmen stellen sich die Frage nach dem „richtigen“ Vorgehen bzw. der Strategie. 

    Idealerweise beginnen sie  mit einer Lagebeurteilung bzw. einer Status Quo Analyse und leiten Handlungsfelder entlang der Wertschöpfungskette für ihre Strategie ab. Aus dieser ergeben sich dann verschiedene Maßnahmen, wie zum Beispiel der Wandel der Unternehmenskultur und damit ein zeitgemäßes Wertverständnis für mehr Nachhaltigkeit.

    An dieser Stelle setzt zusätzlich die  Rolle der Neurowissenschaft ein. Die aktuellen Erkenntnisse der Gehirnforschung zeigen Möglichkeiten für Unternehmen, Führungskräfte sowie deren Mitarbeiter auf. Sie  sind wegweisend für ein geändertes Verhalten von Menschen. Wissenschaftler haben herausgefunden, dass man mit bestimmten Verhaltensweisen des Top Managements bereichsübergreifend Strukturen verändern kann und Unternehmen zu sogenannten lernenden Organisationen wandeln kann.

    Für diesen Wandel sind in der Regel die operativen Führungskräfte des Unternehmens verantwortlich. Um Wandel in Gang zu bringen muss man sich die richtigen Fragen stellen:

    – Welche Kernbereiche meines Unternehmens sollen verändert werden?

    – Wie schaffe ich es, Mitarbeiter zu einer Veränderung zu motivieren?

    – Wie bringe ich Mitarbeiter dazu, alte Verhaltensmuster abzulegen?

    – Wie schaffe ich es, den  Wandel dauerhaft zu verankern um nicht wieder in alte Verhaltensmuster zurückzufallen? Und: Welche Erkenntnisse der Neurowissenschaft können hier in welcher

    Praxisbeispiel:

    Beispiel: In Ihrem Unternehmen gibt es eine Leitlinie hinsichtlich Green IT, die vorschreibt das die Computer abends heruntergefahren werden sollen, um  Strom und somit Energiekosten zu sparen. Dies ist auch von den Führungskräften klar begründet kommuniziert worden.

    Jedoch passiert dieses leider meistens nicht!  So machen die meisten Menschen weiter wie bisher, selbst wenn Veränderungen mit Vorteilen verbunden sind, da ein Weitermachen wie bisher ihnen das Gefühl von Sicherheit gibt und Routine. Es ist objektiv nichts anderes passiert, als dass jeder mit einer individuellen Interpretation von Bedeutungen an die Arbeit geht. Die Ausnahme ist erwartetes Verhalten, der Normalfall sind Missverständnisse.

    Auf der anderen Seite ist Neues i.d.R. immer mit der Gefahr des Scheiterns verbunden. Das gilt es zu vermeiden. Um bei einem Menschen Neues zu verankern, ist es wichtig, das Neue mit etwas Bekanntem zu verbinden. Erwartungen und Erinnerungen stehen also immer in einem direkten Zusammenhang.

    Woran liegt das? Dafür verantwortlich zeichnet sich das limbische System in unserem Gehirn, Das limbische System ist eine Ansammlung von Strukturen in der Mitte des Gehirns, die den Hirnstamm wie ein Saum (lat.: limbus) umgeben. Im limbischen System werden alle eingehenden Signale emotional erfahrungsbedingt bewertet. Hier entscheidet es sich, ob ein eingehendes Signal als angenehm oder unangenehm, als positiv oder negativ oder als gut oder schlecht bewertet wird. Viele Wissenschaftler behaupten zu Recht: Die Amygdala vergisst nie! Die Amygdala (auch Mandelkern genannt) ist das bekannteste Areal zur Emotionsverarbeitung im menschlichen Gehirn. Als Teil des limbischen Systems werden dort die Signale mit Gefühlen verbunden. Dabei werden unsere Sinneseindrücke mit den passenden Emotionen aus dem emotionalen Langzeitgedächtnis verknüpft und an den Verstand weitergegeben. Dieser Prozess läuft unbewusst ab und hat Einfluss auf das Denken des Verstandes. Somit beeinflussen unsere Emotionen unser Denken in seiner Entstehung. Das limbische System entscheidet sich gegebenenfalls gegen den Vorschlag des Verstandes, wenn ein anderes Verhalten emotional positiver belegt ist (Beispiele: abends zur Schokolade greifen, Zigarette rauchen). Was wir sind und was wir tun, bestimmen wesentlich unsere Emotionen. Eine Entscheidung ohne Emotionen ist nicht möglich.  Emotionen sind die geheimen Re­gisseure unseres Alltags. Der US-amerikanischer Psychologe und Neurowissenschaftlerr Joseph LeDoux sagte einmal: „Emotionen sind mächtige Motivatoren künftigen Handelns.“

    Auswirkungen auf Führung

    Wie können Unternehmenslenker nun konkret ihr Vorhaben einer Nachhaltigkeitsstrategie implementieren? Sicher nicht durch den Befehl von oben und den Appell an die Einsicht der Mitarbeiter. Beides führt nicht oder nicht dauerhaft zur gewünschten Verhaltensänderung der Belegschaft, da man hiermit nicht die Ebene der emoti­onalen Konditionierung in uns erreicht. Was hingegen Erfolg verspricht, ist die Strategie der Orientierung an der Persönlichkeit, denn jeder Mensch und damit jedes Gehirn ist einzigartig. Sie ist die effektivste Strategie bei der Erreichung von Verhaltensänderungen. Es geht darum die gewünschte Verhaltensänderung unter Wahrung der Selbstachtung und unter Berücksichtigung der Fähigkeiten der Mitarbeiter zu erzielen. Veränderungen sind möglich, wenn man die individuellen Persönlichkeits-merkmale der Mitarbeiter erkennt und nutzbar macht. Ideal wäre es, wenn die Führungskraft das Verhalten der Mitarbeiter genau beobachtet und ihre Reaktionen in bestimmten Situationen sowie den jeweiligen Persönlichkeitstyp genau kennt.

    Wie kann die Führungskraft Mitarbeiterverhalten ändern?

    Die Neurowissenschaft zeigt die Elastizität unseres Gehirns auf, das sich unser Gehirn ständig ändert und sich wie ein Muskel trainieren lässt. Das Gehirn kann sich ein Leben lang weiter entwickeln und verändern. Diese Erkenntnis ist wichtig und als Chance zu sehen! Das Verhalten eines Menschen lässt sich also dauerhaft ändern.

    Ein funktionierendes Wandel- (Change) Management sollte idealerweise die Mitarbeiter emotional erreichen. Denn nur dann verändern sie etwas und beteiligen sich aktiv, wenn sie darin einen Sinn erkennen. Führungskräfte müssen als Vorbild vorangehen. Sie müssen Ihre Werte authentisch leben. So müssen sie gewissenhaft, höflich, pflichtbewusst, pünktlich und zuverlässig sein. Wer von seinen Mitarbeitern die Nutzung der  Bahnfahrt 2. Klasse oder den Economy-Flug verlangt und selbst 1. Klasse fährt und Business fliegt, ist nicht glaubwürdig. 

    Führungskräfte sollten sich zuerst selbst fragen, woran die Mitarbeiter sehr deutlich sehen und erkennen können, dass sie das Thema Nachhaltigkeit ernst meinen. (1. Beispiel: Der frühere Bürgermeister Boris Johnson aus London fährt mit dem Fahrrad ins Büro; viele Mitarbeiter und Bürger nutzen seitdem das Fahrrad. 2. Beispiel: Unternehmen geben neue Leitlinie für den Fuhrpark heraus. Es soll dem Klimawandel Rechnung tragen und der CO2-Ausstoss erheblich reduziert werden. Die Autos sollen nicht mehr als 120 Gramm: CO2/Kilometer ausstoßen. Allerdings bestellt die  obere Führungsspitze Fahrzeuge  mit höheren Ausstoßwerten. Die Mitarbeiter des Unternehmens bekommen dies mit. Frage: Wie kommt das bei ihnen an?     Stichwort: Mit guten Beispiel vorangehen…“)  

    Auch ist es wichtig, dass Mitarbeiter wissen, wofür (im Sinne von unternehmerischen Werten/ Ethik/Brand) sie arbeiten, denn nur wenn es gelingt die unternehmerischen Visionen und Ziele mit den Wünschen und Motiven der Mitarbeiter in Einklang zu bringen und erhält die Arbeit einen Sinn. Jeder Chef sollte seinen Mitarbeitern das Gefühl geben, ein wichtiger Bestandteil des Unterneh­mens zu sein. Der Gehirnforscher Prof. Dr. Joachim Bauer bestätigt: „Nichts stimuliert uns so sehr wie der Wunsch, von anderen gesehen zu werden, die Aussicht auf soziale Anerkennung, das Erleben positiver Zuwendung und die Erfahrung von Liebe. Kern aller Motivation ist es also aus neurobiologischer Sicht, zwischenmenschliche Anerkennung, Wertschätzung und Zuwendung zu finden oder zu geben.“

    Ein guter Weg ist auch, als Führungskraft häufiger mit den Mitarbeitern einfach zu sprechen, denn dann entstehen wirklich persönliche Momente.

    Der Persönlichkeitspsychologe  Jens Asendorpf sagt dazu: „Menschen suchen sich i.d.R. diejenigen Lebensumstände, die zu Ihrer Persönlichkeit passen, anstatt sich in ihrer Persönlichkeit und Lebensauffassung den wechselnden Lebensumständen anzupassen.“

    Aus Sicht der Neurowissenschaft müssen für die Verhaltensänderung von Menschen insbesondere diese Faktoren erfüllt sein:

    Orientierung an der Persönlichkeit

    – Einzigartigkeit des Gehirns muss anerkannt sein

    –  Vorbildfunktion der Führungskraft muss erfüllt sein

    Das Wechselspiel von vier Systemen spielt eine entscheidende Rolle bei der Motivation von Verhaltensänderungen.

    – Erinnerungssystem: Die Quelle für Erwartungen

    – Entscheidungssystem: Die oberste Kommandozentrale

    – Emotionssystem: Die Bewertungszentrale der Reize

    – Belohnungssystem: Der Entstehungsort für Leistung

    Dabei ist das Entscheidungssystem von den anderen Systemen abhängig, um eine Entscheidung zu treffen. Es wüsste weder, was es will, warum es etwas will, und schon gar nicht, wie es das erreichen soll.

    Der Mensch bewertet die eingehenden Signale. Im Erinnerungssystem werden Erinnerungen und Erwartungen erzeugt, denn alles, was wir erwarten, baut immer auf Erinnerungen aus der Vergangenheit auf. Wenn Mitarbeiter die Erfahrung gemacht haben, dass versprochene Zusagen nicht eingehalten werden, werden sie auch für zukünftige Zusagen die Erwartung haben, dass diese ebenfalls nicht eingehalten werden. Gleichwohl verändern sich Erinnerungen im Laufe der Zeit, werden neu bewertet oder gewinnen bzw. verlieren an Bedeutung. Es ist daher nie zu spät, für die Mitarbeiter eine neue „Umgehungsstraße“ (hier nachhaltige Unternehmenskultur) zu bauen, auf der sie besser und schneller ans Ziel gelangen.

    So können Unternehmen und ihre Führungskräfte durch Belohnungen sowohl das Belohnungs- als auch das Emotionssystem der Mitarbeiter ansprechen. Wird das Belohnungssystem aktiviert, überkommt  uns ein Gefühl des Wohlbefindens. Diesen Zustand möchten wir gerne dauerhaft erhalten. Eine Dauer-Aktivierung könnte der Mensch allerdings nicht aushalten. Der Zweck des Belohnungssystems im Gehirn liegt darin, durch ein Wechselspiel zwischen Aktivierung und Deaktivierung den Anreiz für weitere Aktivitäten zu erhalten.

    In der Praxis werden häufig Incentives und Zusatzeinkünfte als Belohnungen eingesetzt. Wenn allerdings diese Belohnungen im Zusammenhang mit dem Erreichen von bestimmten Zielen in einem festen Zeitraum gegenüber steht, führen sie zur Gewöhnung, und ihre Wirkung verpufft. Ein unangekündigtes Belohnungssystem ist hier viel wirksamer.

    Die  Wirkung von kleine­ren und kostengünstigeren Belohnungen wird häufig unterschätzt und die Wirkung von teuren oder wertvollen Belohnungen überschätzt. Kleine Überraschungen oder eine unerwartete Anerkennung wie ein nettes Wort, ein sympathisches Lächeln können das Belohnungssystem im Gehirn genauso aktivieren. Dass dies so ist, konnte inzwischen in zahlreichen Experimenten nachgewiesen werden. Um Mitarbeiter bzw. die Belegschaft von einer nachhaltigen Kultur zu überzeugen und das gewünschte Ergebnis zu erreichen, sind die richtigen Instrumente und Maßnahmen zu wählen. Nur dann werden die genannten Systeme sinnvoll aktiviert und gestaltet.  Führungskräfte sollten idealerweise wissen, welche Form der Belohnung die Mitarbeiter ansprechen.

    Wenn Mitarbeiter den Vorbildern folgen, profitieren auch die Unternehmen. Motivierte Mitarbeiter sind produktiver, innovativer und weniger krank. Die Reputation sowie die Attraktivität als Arbeitgeber steigen. So werden das Image sowie das internes und  externes Vertrauen des Unternehmens gestärkt, da es gesellschaftliche Umweltaufgaben übernimmt. Für die Bilanz relevant sind die Kosten, die das Unternehmen spart. Ein entscheidender Faktor in Zeiten des Klima- und demographischen Wandels.

    Es ist also wichtig, Verhaltensänderung der Belegschaft mit geeigneten Anreizen und Belohnungen zu verknüpfen, die zu dem jeweiligen Unternehmen und Mitarbeiter passen.

    Die Unternehmen, die die Integration der Nachhaltigkeit in Ihrer Unternehmenskultur als elementar erkennen, werden heute und in der Zukunft vorangehen und auf der Gewinnerseite stehen. Es geht um eine gelebte Nachhaltigkeitskultur.

    Das sollten Sie bei Ihrer Change-Strategie zu mehr Nachhaltigkeit beachten

    1. Jeder Mensch ist einzigartig

    2. Jede Führungskraft muss in den persönlichen Kontakt zum Mitarbeiter gehen, um wirklichkeitsgetreue Emotionen zu übertragen und den Mitarbeiter emotional abzuholen

    3. Jede Belohnung muss den Mitarbeiter ansprechen

    4. Jede  Führungskraft muss Vorbild sein

    5. Jede Führungskraft muss überzeugt sein vom Wandel und von dem, was sie tut

    AutorTitelVerlag
    Damasio, Antonio.Fühlen, Denken und das menschliche Gehirn, 1994, MünchenList, München
    Roth, Gerhard.Funktionelle Neuroanatomie des limbischen Systems aus Neurobiologie psychischer Störungen, 1. Ausgabe, 2006Springer, Heidelberg
    Elger, E. ChristianNeuroleadership: Auflage: 1. Auflage. (2. Dezember 2008)Haufe, Freiburg
    Roth, Gerhard   Bauer, JoachimPersönlichkeit, Entscheidung und Verhalten: Warum es so schwierig ist, sich und andere zu ändern, Auflage: 5., Aufl. (2008) Warum ich fühle, was du fühlst; 2006, Hamburg      Klett-Cotta, Stuttgart   Hoffmann und Campe
    Literaturverzeichnis

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